Pia Janssen / Space Invader

2. Max Ernst “Habakuk” 1934

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Frage

A: Was steht im Wasser und ist …
B: Ehrlich gesagt, kann mir immer noch niemand erklären, was Erwachsensein überhaupt ist.
A: Hey, was steht im Wasser und ist …
B: Ein Vogel.
A: Ein Vogel?
B: Ein Vogel.
A: Sicher?
B: Na ja.
A: Was ist mit ihm?
B: Mit wem?
A: Dem Vogel.
B: Weiß nicht.
A: Ich bin mir nicht sicher. Wenn ich ein Kind wär, würde ich sagen, es ist ein Vogel.
B: Siehst du, sag ich doch, wenn mir nur jemand erklären würde, was Erwachsensein überhaupt ist.
A: Erwachsensein ist, wenn man sagen kann, dass ein Kind sagen würde, dass das ein Vogel ist.
B: Ich finde aber auch, dass das ein Vogel ist. Als Erwachsener sehe ich darin auch einen Vogel.
A: Einen Späher.
B: Was?
A: Ein Späher, der in den Himmel späht.
B: Aha. Und was bitte erspäht er?
A: Keine Ahnung. Was weiß ich. Drohnen?
B: Aha, und wieso Drohnen?
A: Okay – muss nicht sein, irgendwelche Boten, aus dem All, Space Invaders, so was, kann doch sein.
B: Er ist auf der Hut. Er ist wachsam.
A: Ja genau.
B: Und dann?
A: Ja, dann warten, dass was kommt.
B: Du meinst …
A: Ich glaube, man beobachtet uns ständig aus der Luft.
B: Du meinst …
A: Ich meine, dass wir ständig unter Beobachtung sind.
B: Du meinst, da ist etwas, das verfolgt uns auf Schritt und Tritt.
A: Genau das meine ich.
B: Ist das nicht ein bisschen zu viel Paranoia?
A: Ich meine, das es etwas gibt, das uns sehr genau zusieht.
B: Die wissen von uns, oder?
A: Mehr als du ahnst.
B: Die sehen mehr von uns, als wir von denen.
A: Die sind für uns sozusagen unsichtbar.
B: Stimmt, ich sehe gar nichts.
A: Das ist das Ziel.
B: Und jetzt?
A: Genau jetzt sehen sie, wo wir sind.
B: Hier, an diesem Bassin?
A: Hier an diesem Bassin mit diesem Spähervogel.
B: Und auch worüber wir reden?
A: Die hören jedes einzelne Wort.
B: Ich habe Angst.
A: Wovor?
B: Zu reden.
A: Und doch reden wir die ganze Zeit.
B: Und er?
A: Der Vogel?
B: Ein Komplize?
A: Könnte er nicht von diesen unsichtbaren Mächten … ich meine, er sieht aus, als ob unsichtbare Mächte ihn dort fallen gelassen haben.
B: Um uns auszuspähen.
A: Könnte doch sein.
B: Und wenn wir ihn anschauen, tut er so, als ob er in den Himmel starrt.
A: Genau.
B: Und wenn wir nicht hinsehen –
A: Dann beobachtet er uns.
B: Das ist perfide.
A: Mehr als das.
B: Siehst du, das ist das Gute am Erwachsensein. Damit wir sowas erkennen.
A: Damit wir erkennen, dass ein Vogel nicht unbedingt ein Vogel sein muss.
B: Genau.
A: Das können Kinder aber auch.
B: Stimmt.
A: Dann ist Erwachsensein, wenn man sagen kann, wenn ein Kind sagt, dass das kein Vogel ist, und wenn auch der Erwachsene sagen kann, dass das etwas anderes als ein Vogel sein kann.
B: Kann sein.
A: Und weiter?
B: Weiß nicht.
A: Und er?
B: Wer?
A: Der Vogel.
B: Weiß nicht.
A: Wir tun so, als ob es ihn nicht gäbe.
B: Wir schauen einfach nicht hin.
A: Unsichtbar.
B: Genau.

Werktext

space-invader / hidden-sculptures

Autor: mythendermoderne (Pia Janssen) Würde eines Nachts, alle Skulpturen entfernt, wer könnte am nächsten Morgen sagen wo welche gestanden hat? Entlang des City-Sees, auf dem Creilerplatz und vor dem Rathaus Marl erzählen zehn Hörstücke vom eigenen und fremden Blick auf die Skulpturen in der Stadt. Geschichten entstehen und verbinden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander und werden so dem Narrativ der Skulptur habhaft. Der akustische Parcour entlang der Skulpturen vermittelt zwischen dem Unsichtbaren und dem Sichtbaren. Der Hörer wird Teil der Geheimnisse der Kunstwerke. Im Herbst 2015 verschwanden zehn Skulpturen im Aussenraum des Skulpturenmuseums Marl unter silbernen, hölzernen Umhausungen der Künstlerin Pia Janssen. Während der Zeit der umhüllten Skulpturen interviewte sie, gemeinsam der Schrifstellerin Bettina Erasmy zufällig vorbei gehende Passanten zu der Kunst am im Aussenraum des Museums. Dieses Tonmaterial und Fakten über die Bildhauer und ihre Zeit waren die Grundlage für die Kurzgeschichten die Bettina Erasmy für jede Skulptur schrieb. In der Regie von Pia Janssen entstanden 10 Hörstücke mit der Musik von Block Barley und 10 Sprecher*innen, die sich zu einem Hörparcour verdichten.

Projektbeschreibung
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