Pia Janssen / Space Invader

8. Paul Suter “El Greco” 1993/94

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Ironman

Ich sehe eine Skulptur.
Ich sehe eine Haltung aus einer Bewegung heraus, eine spontane Bewegung, die für einen Moment inne hält. Ich sehe eine Bewegung, der ein Gedanke vorausging.
Ein Gedanke, der zu einer Bewegung wird. Oder: eine Bewegung , die denkt.
Ich sehe die Bewegung der Gedanken, ihr kreuz und quer.
Ich sehe ungebundenes furchtloses Denken.
In der Anordnung der einzelnen Teile, Stäbe und Sicheln aus Eisen, sehe ich die Gleichzeitigkeit von verschiedenen kontroversen Gedankenbewegungen, ihre Himmelsrichtungen, Horizontale, Vertikale.
Ich sehe Überraschung und Dynamik. Die Überraschung durch einen zufälligen Freeze innerhalb einer Dynamik.
Keine Ordnung. Ich sehe keine Ordnung, aber die Überraschung der zufälligen Form, die so tut, als ob es eine Ordnung gebe.
Ich sehe die zufällige Form eines Körpers, sich kreuzendes Stand – und Spielbein, ein breites Kreuz, ein Rückgrat mit einer sichtbar starken Rückenmuskulatur, die Hüfte nach hinten rechts verdreht, sich streckende Arme, einen halb geöffneten Kopf, eine Strebe und der hohe Himmel darüber. Und dazwischen: Durchblick, Ausblick, Gedankendurchsicht.
Durchlässig.
Oder sehe ich eine Bewegung, die durch eine Emotion zum Halten kommt? Das exakte Timing einer großen emotionalen Anspannung?
Eine Gebärde zwischen Auflehnung und Verzweiflung?
Vielleicht ist ein Schreck in die Glieder gefahren, eine schreckliche Überwältigung ist geschehen, der Knorpel in den Gelenken versteift, der Eisengehalt alarmierend im Blut gestiegen, Arme wurden in die Höhe und Gedanken aus dem Zusammenhang gerissen.
Wäre Konzeptlosigkeit ein Gefühl?
Ich sehe, dass er sich gerne, wenn irgend möglich, bewegen würde, die Lücken schließen und die Durchblicke blickdicht machen möchte. Das Denken in ruhige Bahnen und sich selbst in eine andere Balance bringen möchte.
Ich sehe, dass er vielleicht sogar seine Materialität ändern möchte, ganz weg vom Eisen. Ein anderer Körper. Herumstehen, das schon, aber als ein Anderer.
Vielleicht nur ein kleiner Tempowechsel. Aber überhaupt Tempo.
Ich sehe fließende Übergänge. Nach über zwanzig Jahren eine neue Knorpelbildung für ganz neue Verknüpfungen.
Ich sehe Haut und Knochen.

Werktext

space-invader / hidden-sculptures

Autor: mythendermoderne (Pia Janssen) Würde eines Nachts, alle Skulpturen entfernt, wer könnte am nächsten Morgen sagen wo welche gestanden hat? Entlang des City-Sees, auf dem Creilerplatz und vor dem Rathaus Marl erzählen zehn Hörstücke vom eigenen und fremden Blick auf die Skulpturen in der Stadt. Geschichten entstehen und verbinden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander und werden so dem Narrativ der Skulptur habhaft. Der akustische Parcour entlang der Skulpturen vermittelt zwischen dem Unsichtbaren und dem Sichtbaren. Der Hörer wird Teil der Geheimnisse der Kunstwerke. Im Herbst 2015 verschwanden zehn Skulpturen im Aussenraum des Skulpturenmuseums Marl unter silbernen, hölzernen Umhausungen der Künstlerin Pia Janssen. Während der Zeit der umhüllten Skulpturen interviewte sie, gemeinsam der Schrifstellerin Bettina Erasmy zufällig vorbei gehende Passanten zu der Kunst am im Aussenraum des Museums. Dieses Tonmaterial und Fakten über die Bildhauer und ihre Zeit waren die Grundlage für die Kurzgeschichten die Bettina Erasmy für jede Skulptur schrieb. In der Regie von Pia Janssen entstanden 10 Hörstücke mit der Musik von Block Barley und 10 Sprecher*innen, die sich zu einem Hörparcour verdichten.

Projektbeschreibung
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